13.11.2012

Selbstversuch

Fastenzeit


Auch, wenn er gut aus sieht. Der ist nix für Asketen.
(Bild: dominiekth)

► Warum ist es so schwer, zu verzichten? Die Hirnforschung gibt unserem limbischen System die Schuld. Ein Selbstversuch mit Vogelzwitschern – aber ohne Na2SO4•10H2O.

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Fangfrage: Welchen Käse isst der Yogi? Aber von Anfang. Es ist Samstag, ich will mir etwas gönnen. Am besten Ruhe und Natur: Ein Blick auf Googlemaps, ins Auto gesetzt und los zum Calimani Nationalpark am nördlichen Fuß der Ostkarpaten (Für meine Ungarn: Kelemen havasok). Mein Ziel ist das Örtchen Lunca Bradului, was so viel heißt wie die Wiese der Tannen. Der Name ist Programm.

Nach den ersten Kilometern habe ich meine Furcht vorm heimischen Braunbären überwunden – oder besser gesagt verdrängt. ‚Wenn sterben, dann in diesem Idyll‘, ein bisschen Fatalismus ist mein Rezept gegen die Ohnmacht vor Mutter Natur. Ich fülle meine Lungenflügel mit dem Duft von Tannenharz. Um mich herum, Stille. Nein. Da ist ein Berg-Bach, der mir entlang meines Weges entgegenrauscht. Ab und zu ein Rascheln, wenn sich trocken-braune Blätter von den wenigen Laubbäumen lösen und auf sanft auf die Erde rieseln. Hin und wieder krächzt ein Rabe, oben in den Wipfeln. Und: mein Magen knurrt.

Ich spüre, den Kies unter meinen Füßen knirschen, die Kälte in meine Ohrläppchen beißen, das Blut vom schnellen Schritt durch meine Beine pumpen. Der Duft des Waldes entfaltet sich breit wie eine Farbpalette in allen Nuancen.

Aber was ist das? Es duftet – irgendwie undefinierbar – nach Essen. Vielleicht eine Pilz-Soße: Pfifferlinge. Frische Pfifferling, selbst gesammelt, wie damals mit meinem Großvater. Direkt aus dem Wald in die Pfanne. Braten, salzen, genießen. Nein, verschlingen! Meine Phantasie geht mit mir durch. Oder Forelle, langsam im Backofen gegart, mit Knoblauch, Petersilie und ordentlich Zitrone. Dazu Pellkartoffeln, leicht angebraten, mit Butter darüber zerlassen, dazu Böhnchen, im perfekten Verhältnis zwischen weich und knackig, dazwischen hauchdünne Karottenstreifen, gut gepfeffert, dazu Bohnenkraut und eine zarte Prise Zucker darüber.

Es ist mein erster Fasten-Tag – schon beginne ich zu halluzinieren. Und was heißt schon Fasten, immerhin habe ich bereits zwei Äpfel und ein Fläschchen Buttermilch zu mir genommen. Ja. Und eine Hand voll Erdnüsse. Konnte ich ahnen, dass die Tüte noch offen im Auto liegt? Aber wozu fasten, wenn’s so schwer ist?

Schön wie der Mond

Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich bei der Wanderung die ganze Zeit einen Ohrwurm von Connie Francis - Shein vi di Levone. Aber das hätte nicht ins Bild gepasst ... ich musste diesen Ohrwurm sogar verdrängen: hiermit und hiermit

Übrigens ist dieser Artikel in gekürzter Form in der Wochenzeitung der Freitag erschienen, Ausgabe vom 22. November 2012, S. 27.

Nun, hinter mir lag ein erfüllendes Mitarbeitertreffen: deftiges Essen, viel Hirnarbeit und lange, freut-fröhlich verrauchte Nächte in Don Titi‘s Hermannstädter Kellerkneipen. Für den Don wäre eine Sperrstunde Gotteslästerung. Und so griff er persönlich gerne zur Opfergabe an Bacchus und schenkte reichlich hausgemachte Tuica ein…

Nach der ganzen Völlerei war das die perfekte Gelegenheit für Heilfasten. Die Idee schwirrte mir seit langem durch den Kopf. Spätestens seitdem ich erlebte, wie mein lieber Qi-Gong-Trainer Jan während seines dreiwöchigen Fastens fit wie ein Turnschuh war (keine Angst: so viel mute ich mir nicht zu).

Zum Teil geht es mir ähnlich. Ich fühle mich frisch, entspannt und agil. Und meine Haut fühlt sich geschmeidig an. Verdammt geschmeidig. Brrrr. Ich fließe so durch den Tag. Na gut. Ab und an kommt eine kleine Müdigkeit auf, aber die ist schnell überwunden. Zumindest schneller, als wenn ich sonst mal einen Durchhänger habe. Zwischendurch erschrecke ich, weil ich bei einem sonst banalen Einfall vor Begeisterung jauchze. Außerdem kann ich länger arbeiten. (Anders wäre dieser Text auch wohl nicht drin).

Also alles tipptopp: Wäre da nicht dieser ständig aufkommende Appetit. Oder ist es Hunger. Okay. Ich muss dazu sagen, das Thema Abführen habe ich ziemlich weiträumig umschifft. Das soll man gegen den Hunger tun. Und zur Darmreinigung versteht sich. Von Glaubersalz wurde mir abgeraten. Das sei aggressiv. Außerdem wüsste ich nicht, wie ich das in der Apotheke auf Rumänisch verlangen sollte. Natriumsulfat trifft es eben nicht ganz. Und wie das Dekahydrat davon auf rumänisch heißt: nu stiu. Ich könnte mit der Formel kommen: Na2SO4•10H2O. Oder einem anderen Tipp folgen: Einlauf. Soll am sanftesten sein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welches nun des Yogi liebster Käse ist!