Auf nach Deutschland: Exodus um 5 vor 12
Meine Mutter und ich verließen ein dunkles Land. Denn zu Ceausescus Sparmaßnahmen gehörte: Warmwasser und Strom wurden willkürlich abgestellt – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wie dunkel dieses Land eigentlich war, wurde uns klar, als wir die Grenze nach Ungarn passierten. Seit langem sahen wir wieder hell beleuchtete Straßen. Vor unserer Weiterreise nach Deutschland kamen wir bei Bekannten in der Nähe des Balaton unter.
Gestohlene Revolution
Was wie Lynchjustiz im Namen des Volkes wirken sollte, war in Wahrheit eine gestohlene Revolution. Die Nutznießer aus der zweiten Reihe der kommunistischen Nomenklatura, die nach Ceausescu das Zepter an sich rissen, wollten offenbar ungemütliche Zeugen aus dem Weg räumen.
Dieses politische Chaos hatten meine Mutter und ich hinter uns gelassen. Endlich konnte ich wieder meinen Vater in die Arme nehmen. Er hatte sich seit seiner Jugend nichts sehnlicher gewünscht, als diesem Gefängnis von Staat zu entfliehen. 1988 hat er es geschafft und alles für unsere Ankunft in Deutschland vorbereitet. Die Geschichte seiner Flucht wäre einen Roman wert...
Deutschland war ein Paradies. Es schien, als hätte ich bis dahin in einem Schwarz-Weiß-Film mitgespielt. Und endlich hätte jemand den Farbregler gefunden. Als meine Mutter eines Tages von ihrem ersten Einkauf nach Hause kam, erlebte ich eine Premiere. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich auf einem einzigen Tisch zugleich Brot, Margarine, Tomaten, Zwiebeln, Radieschen, Gurken, Wurst und Käse. Für viele meiner deutschen Altersgenossen wohl kaum vorstellbar.
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