22.04.2012

2Pac

Dr. Dre spielt Gott

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Seite 2: Dr. Dre und die Faszination der Wiederauferstehung

DRE blickt aufs Meer. Er denkt nach, sieht Bilder aus der Vergangenheit vor sich. Aufnahmen aus seiner Zeit als DJ bei der World Class Wrecking Crew. Im Hintergrund rauscht die Brandung. Vor seinem inneren Auge erscheinen Schnipsel aus NWA-Clips, Bilder wie DRE und Eminem im Studio sitzt, kopfnickend produzieren. Noch ein Blick auf den Ozean. Es folgen Bilder aus dem Privatleben von Andre Young, Heirat und Kinder. (Young hat einen von zwei Söhnen verloren). Dann steigt der Hiphop-Multi in einen schwarzen Ferrari, rast die kalifornische Felsküste entlang. Er bringt den 12-Zylinder zum Heulen, der Tacho dreht auf. Doch trotz des Tempos, die Bilder wollen nicht verschwinden, Bilder von Tupac, Snoop, NWA, Eminem, Nate Gogg (ebenfalls im G-Funk-Himmel). Die Bilder überschlagen sich und plötzlich überschlägt sich auch der Sportwagen.

Stille. Man sieht DRE auf einer Liege, angeschlossen an Schläuche und Kabel. Sein Zögling Eminem hält den Altmeister künstlich am Leben. Eminem rappt auf seinen reglosen Mentor ein, dass er ihm sein Leben verdanke, und beschwört ihn zurückzukehren. (Sängerin Skylar Grey, die den Refrain singt, tauch in dem Video interessanter Weise als Hologramm auf). In der zweiten Strophe beginnt der Totgeglaubte zu zucken – natürlich im Finger, als spiele er auf einem Piano. Doch DRE muss wieder bei Null anfangen, laufen lernen und natürlich – trainieren: Situps mit einem Medizinball, Workout an der Hantelbank und Klimmzüge. So bekommt der Zuschauer nebenbei die enormen Muckies des 47-Jährigen zu sehen.

Alles schön und gut. DRE ist ein Stehaufmännchen. So wie einst 2Pac und 50 Cent. Wie Fitty (so seine genuschelte Aussprache) hatte auch 2Pac einen ersten Mordanschlag überlebt. 50 Cent hatte neun Kugeln geschluckt, 2Pac fünf. Beide haben danach offen mit ihrer Image als Märtyrer gespielt. Pac hat mehrfach seine Gegner provoziert, über seinen möglichen zweiten Anschlag gerappt und gedroht, sich zu rächen.

Den zweiten Anschlag hat er nicht überlebt. Erschossen im Hiphop-Krieg zwischen Ost- und Westküste, dem wenige Monate später auch Pac’s ehemaliger Freund und späterer Erzfeind The Notorious B.I.G. zum Opfer fiel. Auch er war eine schillernde Legende.

Während 2Pac mit 25 Jahren den Märtyrer-Tod starb, wechselte Fitty vom Hiphop-Game in die Geschäftswelt – und landete in der musikalischen Versenkungen. Zurecht, mag man sagen. Denn musikalisch und lyrisch hätte der nuschelnde Curtis Jackson es nie mit dem Charisma eines Tupac Shakur aufnehmen können. Fitty scheint’s nicht zu jucken. Er hat sich die Villa von Ex-Boxer Mike Tyson gekauft. Wie er in einem älteren Interview sagte, betrachtet er sich ohnehin eher als „Hustler“, denn als Musiker, ganz nach dem Motto: früher Crack-Dealer, heute Geschäftsmann.

Doch bei DRE ist es anders. Er ist bereits eine lebende Legende. Und er ist ein passionierter Perfektionist. Mit Detox steht sein Lebenswerk auf dem Spiel. Das Album hätte in den Nullerjahren gut erscheinen können. Hits produzierte DRE zu der Zeit am laufenden Band, nicht jedoch für Detox, sondern für junge Künstler wie 50 Cent. Nachdem er ihn entdeckt hatte, so besagt es die Legende, soll er ihn für eine Millionen Dollar in Bar, in einem Koffer überreicht, zu seinem Label Aftermath geholt haben.

Und auch Andre Young ist nicht nur als Komponist, sondern als Geschäftsmann begnadet. Während sich sein Meisterwerk „2001“ 7,2 Millionen Mal verkauft hat, konnte er aus einem mittelklassigen Rapper mit echter Gangstervergangenheit, wie 50 Cent einer ist, ganze 25 Millionen Plattenverkäufe kitzeln. Doch so verpulverte er auch seine letzten musikalischen Glanzstücke für Hits wie „In da Club“. Zwar lassen DRE’s Produktionen ab und an noch etwas von seiner Majestät durchblitzen, so etwa auf Eminems Comeback-Album Relapse. Doch für einen letzten Meilenstein, wie es seien Vorgängeralben waren, scheint ihm die Kraft zu fehlen.


Viel frisches Blut hat sich der „Blackula“, wie er sich in „Keep Their Heads Ringing“ nannte, in seine Katakomben geholt. Massenweise sind sie in die Labore von Aftermath gepilgert, um davon zu berichten, wie beeindruckend es war, den Doktor beim Operieren zu sehen. Doch was immer dann an die Oberfläche tratt, es war mittelklassig bis enttäuschend.

DRE lebt vom Äther junger Künstler. Das war schon immer so, selbst zu NWA-Zeiten. Er ist der Schöpfer. Ein berechnender Meister mit objektivem Blick fürs Ganze. Einer, der alles zusammenbringt. Vielleicht haben die jungen Künstler zu viel Ehrfurcht vor ihm, erstarren vor seiner Gestalt, seiner fast schon mystischen Größe.

Vielleicht ahnt DRE aber auch, dass er seine eigene musikalische Wiederauferstehung nicht mehr erleben wird. Und vielleicht holt er deshalb jenen Rap-Jesus von den Toten zurück. Den schillerndsten aller Gangsterrap-Märtyrer, der kurz vor seinem Tod sicher war: Es gibt ein Paradies für Gangster. Nun. Ob DRE, der sich gottgleich angemaßt hat, einen Toten zum Leben zu erwecken, Eingang in dieses Paradies finden wird? Vielleicht hat der Doktor dafür zu viel herumgedoktert. Wer weiß.

Übrigens, vielen Dank an Youtube, die Gema und Myvideo ;-)