11.12.2011

Kolumne #1

Keine faulen Kompromisse!

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Warum wir Bürger eine Mitschuld am Schuldenberg haben: Lesen Sie weiter auf Seite zwei.

Richtig ist beides! Es stimmt, die amerikanischen Analysten bewerten die Lage in Europa gewiss nicht völlig objektiv. Ihre Auftrag- und Geldgeber sind in aller Regel amerikanische Unternehmen. Und die USA kommen bei den Ratings durch die Agenturen angesichts ihrer erschreckend hohen Staatsschulden viel zu gut weg.

Wahr ist aber auch: Die Agenturen zeigen nur auf, was längst alle wissen. Europa ist überschuldet. Radikale Sparmaßnahmen scheinen für Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal und Italien der letzte Ausweg zu sein. Mit Wirtschaftswachstum wird ihre finanzpolitische Askese aber nicht belohnt. Im Gegenteil, sie treibt die Südländer weiter in die schirr unabwendbare Rezession. Ein tödlicher Cocktail: Tausende verlieren ihre Arbeit, verunsicherte Investoren bleiben weg, es werden neue Kredite aufgenommen, deren Zinslast droht, die ohnehin schwächelnden Schuldner zu erdrücken.

Natürlich. Es ist ein moralisches Unding, wenn auf die Pleite ganzer Staaten und damit das Elend von Millionen von Menschen spekuliert wird. Ganz abgesehen davon, dass es keinen wirtschaftlichen Mehrwert erzeugt. Ohne die Spekulanten von ihrer moralischen Verantwortung entlassen zu wollen, muss man aber gestehen: Sie können nur gegen den Euro zocken, weil wir uns so maßlos verschuldet haben.

Wir? Ja, wir Bürger tragen eine Teilschuld! In diesen Tagen ist populär, Politiker und Banker zu kritisieren. Und ja, es zeugt von einem fragwürdigen Demokratieverständnis, wenn Politiker nur danach zu eifern scheinen, wie sie das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen können, während sie das Vertrauen ihrer eigenen Bürger längst verloren haben. Man könnte sagen, die Politik ist Volksverdrossen.

Tatsache ist aber auch, wir Bürger haben den Schuldenberg mit angehäuft. Wir sind der Staat. Wir sind es, die an der Wahlurne die Verantwortung tragen, verantwortungsbewusste Volksvertreter zu wählen. Zu oft haben sich die Europäer von ihren Politikern verführen lassen. Sie ließen sich mit Geschenken auf Pump von Parteien aller Couleur kaufen. Ein gutes Beispiel ist nicht nur Griechenland, wo Wahlgeschenke auf Kredit fast eine historische Tradition besitzen.

Wir Deutschen sind keinen Deut besser. Wagen wir einen Blick ins Jahr 2009: Wir waren es, die Union und FDP in die Regierung gewählt haben. Die meisten von uns taten das nicht obwohl, sondern gerade weil Schwarz-Gelb Steuersenkungen versprach – mitten im Sturm der Finanzkrise. Bei einer Staatsverschuldung, die sich auch damals um die 80 Prozent eines Bruttoinlandsproduktes bewegte, muss das Naivometer ultraviolett aufgeleuchtet haben. Schade, dass wir mit dem menschlichen Auge ultraviolettes Licht nicht wahrnehmen können.

Sie werden hart, die Sparmaßnahmen, die auch die Bundesrepublik wird anpacken müssen – besser früher als später. Sie sind jedoch der Preis, den wir Wähler dafür zahlen, dass wir uns mit Fresspaketen haben korrumpieren lassen. Es gibt nur einen Weg aus der Schuldenfalle: Wir müssen lernen zu verzichten – auch mit Blick auf die Umwelt und schwindende Ressourcen. (Unser ökologisch verschwenderisches Verhalten unterscheidet sich in nichts zu dem, wie wir mit unseren Staatschulden umgehen.)

Wie man den Weg bestreitet, ist Geschmackssache. Die einfachste Methode ist die der amerikanischen Teapartybewegung: Lass uns den Staat so lange verschlanken, bis wir ihn auch ganz abschaffen können – und mit ihm alle Schulden. Das bedeutet Anarchie, Rechtlosigkeit und Raubtierkapitalismus nach dem Prinzip: Survivals of the fittest.

Uns Deutsche, so sagt eine neue OECD-Studie, schlägt soziale Ungleichheit stärker aufs Gemüt als zum Beispiel Amerikanern. Und dass die Ungleichheit in der Bundesrepublik gewachsen ist, ist ebenfalls eine Erkenntnis der Studie. Wollen wir weiterhin einen Sozialstaat haben, der das Wohl seiner Bürger zu einem Mindestmaß schützt, dann werden wir nicht darum herumkommen, die Steuern zu erhöhen – nicht um neue Sozialleistungen zu schaffen, sondern alte Schulden zu begleichen. Die Kanzlerin hat ausnahmsweise einmal Recht. Die europäische Schuldenbremse muss her. Und es darf keine faulen Kompromisse mehr geben.