23.10.2012

EU

Wo kann ich meinen Friedensnobelpreis abgeben?


"Europa trauert" heißt diese Postkarte aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg.
(Bild: drakegoodman)

► Die EU hat den Frieden im Inneren Europas gesichert, ohne Frage. Aber ein Blick über den europäischen Tellerrand hinterlässt Zweifel daran, ob die EU den Friedensnobelpreis verdient hat. Ein Kommentar.

Jahrhunderte lang starben Millionen Europäer in unzähligen, sinnlosen Kriegen. Doch nachdem zwei grausame Weltkriege den Kontinent in Asche legten, kam die Einsicht und aus Erbfeinden wurden Freunde, nicht zuletzt Dank der europäischen Einigung. Seit nun fast 70 Jahren beschert sie uns Frieden. Doch, dass dieser Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist, das haben uns die Bürgerkriege auf dem Balkan drastisch ins Bewusstsein gerückt.

Nach innen ist Europa ohne Frage ein Friedensprojekt. Doch ist die EU auch ein Vorhaben im Dienste der ganzen Welt, wie es EU-Kommissionspräsident Barosso nach Verleihung des Friedensnobelpreises sagte. Macht sie die Welt zu einem besseren Ort? Und verteidigt sie auch dann noch Werte, wie die Achtung der Menschenrechte, wenn man über den europäischen Tellerrand hinaus blickt?

Eines der wohl grundlegendsten Menschenrechte ist das Recht auf Nahrung. Von 2000 bis 2008 war Jean Ziegler bei der UN Berichterstatter für dieses Recht. In einem Interview mit der Tagesschau bezeichnete Ziegler kürzlich Hunger als Mord. Wie die Vereinten Nationen errechneten, könnte die Welt ohne Probeme 12 Milliarden Menschen ernähren. Trotzdem sterben jeden Tag 56. 000 Menschen an Hunger, fast jeder Siebte ist unterernährt. Die Schuld sieht Ziegler vor allem bei den Industrienationen und ihren Agrar- und Exportsubventionen. Auch der EU macht er schwere Vorwürfe:

„Diese Subventionspolitik tötet Menschen. Lebensmittel aus der EU überschwemmen Afrikas Märkte. Sie können dort fast überall Produkte aus Deutschland, Frankreich oder Griechenland kaufen, die ein Drittel billiger sind als die einheimischen. (..) Was bedeutet das weltweit für die Kleinbauern? Sie verlieren ihre Lebensgrundlage und landen im Elend. Und wenn sie dann auf der Arbeitssuche nach Europa flüchten, versucht die EU, das mit allen Mitteln zu verhindern.“

Der Blick aufs Mittelmeer lässt daran zweifeln, wie die EU Menschenrechte und Demokratie verteidigt. Wenn die Flüchtlingsabwehr Frontex voll besetzte Bote zurück auf das offene Meer schickt, die weder Nahrung noch Wasser an Bord haben, treibt sie diese Menschen in den sicheren Tod. Da will man Barosso, wo er doch von der Vertreidigung europäischer Werte spricht, fast fragen: Vor wem verteidigen wir diese Werte, vor den Flüchtlingen aus Afrika? Wie der Kommissionspräsident ja selbst sagt, streben alle Menschen nach diesen Werten, nicht nur wir Europäer.

Nach Innen ist Europa wahrlich ein Friedensprojekt. Doch, dass die EU die Welt zu einem besseren Ort macht, daran habe ich meine Zweifel. Als EU-Bürger würde ich gerne meinen Anteil am Friedenspreis zurück an das Nobelpreiskomitee in Oslo geben.

Erscheinungsort: Radio Neumarkt